Mein liebster Alptraum

Isabelle Huppert ist eine der wunderbaren französischen Schauspielerinnen, konstant sehenswert, konstant gut, aber sie hätte sicher einen besseren Film verdient als diesen, den Anne Fontaine und Nicolas Mercier geschrieben haben und bei dem Anne Fontaine Regie geführt hat. Bloss weil man aus Frankreich ist, hat man noch nicht den Esprit gepachtet, bloss weil man Isabell Huppert als eine erfolgreiche Galeristin, die hier Agathe heißt und mit André Dussolier, einem Langweiler von Verleger, der hier Francois heißt und in deren Ehe längst tote Hose herrscht, bloss weil man in dieses gepflegte, bürgerliche Milieu Benoit Poelvoorde, der hier Patrick heißt, hineinplatzen lässt, der die Konventionen auf den Kopf stellt, also wegen all dem entsteht leider nicht notgedrungen Witz, Esprit und Spannung.

Sicher ist es zum Lachen, wenn in der Schule der Direktor einen Elternabend abhält und die Huppert als Mutter von Adrien sich über das Thema Begabungstest ereifert und dann kommt Patrick und sagt, man müsse über das Kantinenessen reden und die Wichtigkeit des Essens hervorhebt. Ab da spielt er immer und überall den Spielverderber. Er wohnt in einer Portierloge eines feinen Hauses in diesem feinen Pariser Arrondissement und er möchte, dass sein Sohn Tony guten Umgang erhält, obwohl der in anderen Dingen gut ist als im Lernen.

Tony, der Portierssohn, freundet sich mit dem lockenköpfigen Adrien an. Vater Patrick darf in der feinen Wohnung als Handwerker tätig werden; es geht um das Herausbrechen einer Wand zur Erstellung eines begehbaren Schrankes. Patrick darf den Verleger so charakterisieren: er leere wohl seine Eier aus und sei dann inspiriert. Oder er darf Agathe über deren Mann fragen, wie so ein Eiszapfen im Bett sei. Patrick ist der Advocatus des ungezügelten Lebens und des Irdischen im Gegensatz zur hehren Geisteswelt von Agathe und Francois.

Und weil das genau so präsentiert wird, weil es so präsentiert werden soll, eben als Zusammenprall zweier gegensätzlicher Welten und weil kaum eine Spielhandlung da ist, außer der Chose mit dem begehbaren Schrank und dass Patrick eine Wohnung im feinen Quartier sucht, weil er sonst seinen Sohn verliert und dabei lernt er die blonde Julie kennen, die auf dem Amt für Wohnungssuchende arbeitet und die über Patrick zu Francois vorstößt, was die Ehe von Francois und Agathe ins Rotieren bringt. (Man erfährt oft sehr viel über die Qualitäten eines Filmes beim Versuch, des Nacherzählens).

Der Film tritt sehr selbstsicher auf und glaubt, weil er französisch ist, er sei auch leicht und lustig. Hat sich darum vielleicht wenig um die Plausibilität der kaum vorhandenen Handlung gekümmert. So scheinen die Szenen relativ willkürlich gezimmert, um in immer neuen Varianten die Gegensätzlichkeit der beiden Klassen hervorzuheben.

Eine Fahrt zu IKEA von Patrick und Agathe wegen einem Wandschrank, nachdem er ihr vorher ausführlich erklärt hat, wie viel billiger das komme und wie schnell er den zusammengestellt hat. Esprit dabei? Fehlanzeige. Oder eine Vernissage, auf der Patrick unvermutet auftritt als Überraschungsgespenst in den feinen Verhältnissen, das mögen die Autoren, und wie er sich dann laut über ein hochgehandeltes Kunstwerk mit vor allem Leere drauf auslässt. Ach, es ist so an den Haaren herbeigezogen. So dick auf lustig gemacht, dass man vielleicht höflichkeitshalber sogar lacht. Weil wir ja so konditioniert sind. Das Rodeo mit der dicken Bonne. Gegen Ende macht es dann wirklich Mühe, der Huppert zu glauben, wie sie wieder auf Patrick stösst, den sie inzwischen wegen des Sohnes scheingeheiratet hat, und wie sie ihm bei einer Vernissage zuflüstert, sie brauche ihn. Dazu fehlt nun jeder Voraussetzung. Da die Geschichte vor allem auf den schnellen und billigen Lacher, der sich aus dem Zusammenprall der erwähnten zwei Lebenswelten ergibt, abzielt, so scheint sie als Ganzes unglaubwürdig ohne diese Unglaubwürdigkeit mit Witz oder Überraschung oder Absurdität kompensieren zu können.

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