Tommeetszizou@aol.com, das war die Fantasie- und Traummailadresse von Thomas Broich, dem Fußballer, dessen nonkarrieristische Karriere der Dokumentarist Aljoscha Pause über einen Zeitraum von 8 Jahren, von 2003 – 2011, begleitet hat.
Das Thema ist hochspannend und überall, wo es um Karriere geht, aktuell. Schafft einer es, seine Träume wahr zu machen. Oder lässt er sich davon abbringen.
Der Reihe nach. Schon als kleiner Junge hat Thomas Broich vom Fußball geträumt. Er ist in einer Kleinstadt in Oberbayern aufgewachsen und hat sich früh obige Mail-Adresse zugelegt. Das war sein Traum, den Fußballer Zizou zu treffen, in seiner Liga mitzuspielen. Tom meets Zizou.
Thomas Broich ist zu einem Fußballgenie geworden durch das ständige begeisterte Spielen mit dem Ball, sein Leben war Ballspiel. Nicht ganz, er hatte auch musische Interessen, Musik, Klavierspielen, Lesen, eine intellektuelle Ader. Das kann beim Fussball ganz schön störend wirken oder ein toller Aufhänger für Schlagzeilen und zusätzliche Prominenz werden. Der Mozart wurde er geheissen, obwohl diese Alias-Namensgebung dahingehend korrigiert werden müsste, dass der Anlass, bei dem er den Titel bekam, einer war, bei dem er Orff gehört hatte. Der Orff des Fußballs. Aber das können Fußballer nicht unterscheiden. Es gibt im Film diverse Äusserungen von Kollegen, die einem Theaterbesuch oder einer Buchlektüre oder einem Konzertbesuch nun absolut rein gar nichts abgewinnen können.
Bei Thomas jedenfalls läuft erst mal alles glatt. Diese Doku könnte durchaus als Jugendjux begonnen haben, den grossen Träumer beim Wort nehmen. Aus der Träumerei ist dann doch einiges geworden. Der Dokumentarist ist dabei geblieben und hat die Doku im Frühjahr dieses Jahres nach diversen Höhen und Tiefen mit einem Höhepunkt in Australien vorerst abgeschlossen und zu einem gedankenanregenden 141-Minüter zusammengestellt.
Broich war ein nonkarrieristischer Karrierist. Er hatte zwar grosse Träume, aber er hat nicht vergiftet nach Wegen gesucht, wie er an sein Ziel kommen kann. Bei ihm flutschte es anfänglich wie von selbst. Er spielte in der Mannschft in Burghausen, der Jugendmannschaft und wurde von Talentsuchern entdeckt und kam sehr früh nach Mönchengladbach. Von einem Tag auf den anderen war er Profifußballer. Das erste Halbejahr verlief glänzend, er wurde schnell zum Star, spielte einen traumhaften Fußball. Er ist der Typ, den man laufen lassen muss, dann wird er ein königlicher Spielmacher, vor allem ein weitsichtiger Paßgeber für erfolgreiche Torschüsse.
Er hat ganz spezielle Fähigkeiten, die ein Teamchef allerdings sehen und einsetzen muss. Nach dem ersten Trainerwechsel in Mönchengladbach war das nicht mehr der Fall. Ein diktatorischer Holländer kam. Der hat dem Wunderfußballer die Lust ausgetrieben. Oder der Wunderfußballer hat sich von diesem die Lust nehmen lassen. Prompt war es aus mit dem Traumfußball.
Es gibt viele Interviews in diesem Film, die man insgesamt gut hätte kürzen können. Wie denn Aljoscha Pause überhaupt eher eine ausladende Materialsammlung präsentiert statt eines aus dieser scharf kristallisierten Portraits. Außerdem sind diese Materialen von ziemlich unterschiedlicher Qaulität, technisch wie filmisch. Aus diesem vielfältigen und verschiedenartigen Material muss sich der Zuschauer selbst sein Bild von Thomas Broich anfertigen speziell hinsichtlich Karriereverhalten resp. seiner Verweigerungshaltung dem Karrieredenken gegenüber. Portrait eines nonkarrieristischen Genies.
Stellenweise gibt’s privates Material, frühes von zuhause, wie der Bub auf dem Rasen den Ball zähmt, dann in Köln aus der WG (wie er und seine Freundin in Morgenmänteln die Zähne putzen), die Themen Musik und Literatur. Über einen Zeitraum gab es eine Freundin. Die kam einige Male zu Wort. Aber plötzlich verschwindet sie aus dem Film; damit wohl auch aus seinem Leben.
Die Folgen der Unlust bedingt durch den Trainerwechsel und die daraus resultierenden schlechten Leistungen brachten ihn nach Nürnberg. Das war für Broich der komplette Abstieg. Er kam auch im Leben nicht mehr zurecht. Seine Umzugskartons hat er nicht ausgepackt. Die Spiellust kehrte nicht zurück. Erst wie er ganz unten war, machte er wahr, wofür er vorher wohl zu feige gewesen ist: ab ins Ausland. (Für solche Ausnahmetalente vielleicht die einzige Chance zu überleben; ist ja auch in der Filmwelt zu beobachten). Er unterzeichnete einen Vertrag in Australien. Dort kehrte die Lust am Spielen zurück, seine Traumfußballspielerqualitäten waren wieder da und er brachte die Sensation zustande, seinen australischen Klub innert einem halben Jahr in das Finale der australischen Meisterschaft zu bringen.
Broich hat einen hohen Reflektionsstand; vielleicht denkt er zu viel nach. Ihm war zum Beispiel klar, dass er in Nürnberg nicht noch weitere Ausreden finden würde, warum die Dinge nicht mehr klappten.
Ein sympathischer Typ und ein fantastischer Fußballspieler.