Eine Insel namens Udo

Was ist Viagra auf dem Heimtrainer? Ein Fahrradständer.
Damit dürfte das Witzniveau in diesem Film umzingelt sein oder: so tarnt sich ein Kassiber, der dem Kino eine kirchlich-christliche Message unterjubeln will nach der Methode: wie bastle ich aus einem Ideenbaukasten einen Film und verklickere ihn mit dem von oben herab angepassten Witzniveau dem Volke. Die Message lautet: jeder Mensch müsse sich in seiner Besonderheit oder in seinem individuellen Anderssein annehmen und könne dann glücklich werden wie andere auch. Kommt mir vor wie eine Kanzelpredigt. Aber oh weh, wenn die Kanzel versucht, sich dem Viagra-Heimtrainer-Niveau anzunäheren, resp. die Leute für nicht ganz dicht hält.

Der Baukasten, der durchaus liebenswürdig gestaltet ist, besteht aus zwei Teilen und könnte das Resultat von einem Workshop an einem Kirchentag gewesen sein, der eine zum Thema „Anderssein“ und der andere zum Thema „moderne Trauer- und Betattungskultur“. Denn das ist der andere Makel dieser Veranstaltung, dass sie sich gleich zwei Themen vornimmt.

Für meine Vermutung, dass es sich hier um das Produkt eines kirchlichen Arbeitskreises handle, spricht übrigens die Szene, in der ein Buch mit dem Titel „Die leckersten Gerichte aus der Bibel“ vor die Kamera gehalten wird. Ferner die Interpretation des Goaßlschnalzens als eines Versuches, den Unsichtbaren zu peitschen als Hinweis auf den Flagellantismus von Mönchen. Auch die häufig bemühte Klampfenmusik wäre eine Hinweis, zwar kein zwingender, aber ein möglicher, auf diesen kirchlich-jugendfreizeitlichen Hintergrund. Es könnte sich auch um Pfadfinder handeln, die eine gute Tat machen wollen.

Fangen wir mit der Nebengeschichte an, die mit dem Hauptthema ohne Gedankenakrobatik kaum in Verbindung zu bringen ist.

Fritzi Haberland, die Jasmin Koblach spielt, ist immer wieder mit der Bestattung ihres Vaters befasst. Dazu gibt es ausgiebige Gespräche über Särge und die Art der Bestattung; der Film möchte vermutlich kritisch die moderne Bestattungskultur beleuchten. Gehen Sie in diesen Spielfilm, denn hier gibt es eine kritisch-witzige Auseinandersetzung mit unserer Bestattungskultur! Lachen Sie über den Witz, der bei einem Beratungsgespräch passiert: fragt der Bestatter, ob Fritzi sich für eine Bestattungsart entschieden habe. Sagt Fritzi, der Verblichene habe gerne am Kamin gesessen. Reaktion des Bestatters: also Verbrennung.

Weiter zum Toten, dem zu Bestattenden: er war Reiseschriftsteller, selbst aber nie auf Reisen, er hat alles aus Büchern abgeschrieben oder erfunden. Wie die Tochter Jasmin selbst auf Reisen ging, hat sie die Unterschiede zwischen Wirklichkeit und Vaters Büchern bemerkt und ihm Karten geschrieben, um ihn auf die Fehler aufmerksam zu machen. Diese Karten findet Fritzi bei der Hinterlassenschaft ihres Vaters. Weitere wichtige Info zum Vater, er habe nie Hilfe in Anspruch genommen. Nun ja, das muss man wohl wissen, wenn man sich für die Insel Udo interessiert.

Der Bausatz für die Haupthandlung besteht aus der Figur Udo. Sein Problem ist faszinierend. Er wird einfach von niemandem beachtet. Er ist praktisch unsichtbar. Er kann problemlos einem Menschen, der an einer Bar sitzt, den Espresso wegtrinken, der sieht es nicht. Oder einem Gast das Kuchenstück wegessen. Das wäre eigentlich ein abgrundtief tragikomisches Thema. Aber leider belässt es der Film bei der Idee, illustriert diese zwar, geht ihr aber nicht auf den Grund. So bleibt denn alles oberflächlich.

Udos Eigenschaft der Unsichtbarkeit ist ideal für den Job als Kaufhausdetektiv. Denn keiner beachtet ihn und wer nicht beachtet wird, der kann hervorragend beobachten. So weit so gut überlegt von den Bastlern dieses Filmes.

Auch die Beziehungsfiguren zu Udo im Kaufhaus sind passend gewählt. Die Transe von Friseuse, ein Ausländer mit Moustache, Italiener oder Spanier und ein Finne mit dem gebrochenen Deutsch. Aussenseiter auch diese. Gleich und gleich gesellt sich gern. Man ist tolerant.

Ähnlich verhält es sich mit den Dieben, die Udo erwischt – oder auch laufen lässt. Die Dame, die Wäsche klaut oder der Alte, der den Kaviar für seine Frau mitlaufen lässt. Auch diese Szenen finden nach den Entwicklungen der Hauptfigur einen passenden Abschluss.

Die Entwicklung von Udo, die die Message des Filmes rechtfertigen soll, ist nun die: Jasmin, die Managerin bei einer Hotelkette ist (aha, sie reist ja gerne) beobachtet Udo beim Fremdkaffetrinken und Fremdkuchenessen, sie ertappt ihn dabei, stellt ihn zur Rede, denn sie sieht ihn. Das ist für Udo eine ganz neue, schockierende Erfahrung, die aber auch eine Liebesgeschichte auslöst und ihn im Beruf versagen lässt, denn plötzlich ist er auch für die anderen nicht mehr unsichtbar und kann nicht mehr ungeniert die Diebe beobachten. Das müsste allerdings noch erklärt werden, warum er für die anderen, bei denen keine Liebe im Spiel ist, jetzt plötzlich auch sichtbar ist. Das ist nicht mehr als eine Behauptung, die der Message, die sich der Film vorgenommen hat, nützlich ist. Ob sie logisch ist, sei dahin gestellt.Kaum liebt er, sieht man ihn, kaum liebt er nicht mehr, sieht man ihn nicht mehr. Anderssein oder Wie-die-Anderen-Sein auf Knopfdruck. Merkwürdig.

Die Liebe allerdings, das wird sich schnell rausstellen, die ist nicht für Udo gemacht oder Udo nicht für die Liebe oder zumindest nicht für die Liebe mit Jasmin, denn da sind ihre Eltern davor. Ihr Vater wird dargestellt von Jan Gregor Kremp, einem Fernsehschauspieler, der schon beim ersten Auftritt so grinst, als finde er es saulustig, in dieser Sichtbar-Unsichtbar-Welt vorbeizuschauen und noch Geld dafür zu kriegen. Wie eine Drohung wirkt somit due Ankündigung eines Essens von Udo mit Jasmin bei deren Eltern. Und wird tatsächlich wahr gemacht. Udo benimmt sich bei Begegnungen mit diesem Vater vollkommen daneben. Irgendwie logisch. Und er bemerkt dann selber, dass er anders sei, nicht für ein konventionelles Leben gemacht, dass er sein Anderssein, sein Unsichtbarsein annehmen müsse. Ab dem Zeitpunkt wird er wieder unsichtbar, seine alte Welt ist wiederhergestellt und als Kaufhausdetektiv ist wird er wieder erfolgreich.

Die Liebe wird hiermit apostrophiert als ein Ausrutscher aus der eigenen schicksalshaften Identität, welche offenbar nicht für die Liebe gemacht ist. Hm, doch eine seltsame Message, die uns Markus Sehr verklickern will, und gar nicht christlich, eher schicksalergeben islamisch, der Mensch habe sein Schicksal anzunehmen und nur so könne er glücklich sein. Fatal fatalistisch und weit entfernt zumindest von aufklärerisch europäischem Geist. Schade eigentlich, das wären alles sehr spannende Fragen, dass die letztlich nur als dünne Behauptungen ohne jede Vertiefung stehen bleiben. Sehr, der Autor und Regisseur, hätte wirklich besser das Thema vertieft, statt sich mit billigen Hinweisen auf Fernsehgrössen (Hannelore Elsner muss herhalten für eine Apostrophierung als Anne Frank oder auch Gottschalk muss verbraten werden und wieso wird Udo als der Goethe der Kaufhausdetektive bezeichnet) an ein Publikum anbiedern zu wollen, was einen solchen Film garantiert nicht im Kino schauen wird, weil dadurch auch das Komödientempo unter die Räder kommt.

2 Gedanken zu „Eine Insel namens Udo“

  1. stimmt, die Probleme fangen schon mit dem Titel an. Eine Insel ist doch was Rettendes,
    was aber an Udo Rettendes sein soll, das zu erläutern gelingt dem Film keineswegs.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert