Tröte der Pandora

Ich hätte ja nie gedacht, dass ich jemals was über Fußball schreiben würde. Doch ich bin dieser Tage leicht melancholisch, denn vor vier Jahren hatte ich meinen Recherchedienst für Filmjournalisten gerade eröffnet, und genau zur letzten WM flog mir ja dermaßen die Scheiße um die Ohren hatte ich mit den Verleumdungen eines Mißgönners zu kämpfen. Ach, die Erinnerungen… Eigentlich wollte ich meinen Dienst ja schon letzten Sommer neueröffnen, doch verzögert sich dies derzeit auf unbestimmte Zeit und das aus „technischen Gründen“. So schließt sich also der Kreis, vier Jahre später. Egal, ich wollte ja über Fußball schreiben.

Ich bin kein besonders großer Fußballfan, und bade eigentlich nur zur WM in den Emotionen anderer. In der Zeit dazwischen hat sich mir noch nicht erschlossen, was an 22 Millionären, die einem Stück Schwein hinterherlaufen, so faszinierend sein soll.

Nun ist also wieder WM, und das große „Drumherum-Thema“ ist die Vuvuzela, diese afrikanische Tröte, mit der dortige Fans ihre Mannschaft anfeuern, ihre Freude zum Ausdruck bringen und so weiter. Sämtliche Übertragungen aus Südafrika sind geschwängert mit diesem Summen tausender zorniger Hornissen, und nicht nur bei Twitter, YouTube oder Facebook beschweren sich die Leute über den nervigen Sound vom Nachbarkontinent.

Doch moment mal: Wo liegt denn genau das Problem?

Wieso ahnte man nicht, dass Zigtausende von Stadionbesuchern und Fans die Vuvuzelas auch benutzen würden? (Immerhin handelt es sich um eine historische südafrikanische Signaltrompete, die in Südafrika seit rund zwei Dekaden bei den Massen beliebt ist). Der jetzige Hersteller hat 2001 immerhin einen Businessaward erhalten, um die Produktion erst ermöglichen zu können.

Wieso machte man die Vuvuzela zur offiziellen Fifa-Tröte und ließ sie in entsprechender Stückzahl herstellen (bzw. vergab die entsprechenden Lizenzen), wenn man nun das Getröte nicht hören will?

Ich finde es eigentlich ziemlich unglaublich, dass sich so viele Leute über die Vuvuzela aufregen. Zum einen wussten die Verantwortlichen ja wohl vorher, welche Büchse der Pandora sie da öffneten, zum anderen sind alle nicht-südafrikanischen Länder und Organisationen Gast in Südafrika (auch per TV) und haben daher höflich zu schweigen, was Sitten und Gebräuche ihres Gastgeberlandes angeht. Wenn Hunderttausende von Südafrikanern den Marketinggag (der traditionellen Vuvuzela in einer massentauglichen Variante) massenhaft ausnutzen, dann ist das eben so. Da hat man einfach zurückzustehen und sich „Andere Länder, andere Sitten“ vor Augen zu halten. Wer sich über die Vuvuzela in Südafrika aufregt, der beschwert sich auch beim Safariurlaub auch über barbusige Eingeborene, auf dem Oktoberfest über Blasmusik, und im restlichen Bayern über Kirchenglocken oder Biergartenlärm. Also, Leute, den Ball mal schön flachhalten.

Was mich allerdings diebisch freut, ist die offenbar nach hinten losgegangene Marketingaktion mit den Vuvuzelas. Auf der Webseite der FIFA ist das Video FIFA.com erklärt die Vuvuzela jedenfalls nicht aufrufbar. So wie ich die Sache sehe, dachte man, dass man mit der Vuvuzela einen neuen Kult heraufbeschwören, einmal mehr fett Kohle mit dem Merchandising machen und sich für die WM 2014 dann was neues ausdenken kann, vielleicht eine kleine Schiefertafel mit einer Metallgabel zum Kratzen.

Nun fiel die Vuvuzela jedoch eher in Ungnade, und die FIFA wird nun die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Hätte man halt nicht so nach dem Geld gegiert und vielleicht den Zauberlehrling gelesen vorab, jaja… Oder wenigstens den Rap von JDD gehört, das hätte wohl auch gereicht. Doch nun wird zurückgerudert, ein Verbot erwogen, so getan, als wären die unzähmbaren Fans im Stadion schuld am Mißbrauch der eigentlich ach so harmlosen Tröte. In Wirklichkeit entfaltet sich vor unseren Augen im Moment nichts anderes als der Marketing-Supergau schlechthin. Nun wird alles getan, das Fifa-Image zu retten, nachdem man die Kohle schon eingeschoben hat. Im Grunde wie bei BP, nur mit weniger bleibenden Schäden.

Doch egal, wie die Hintergründe tatsächlich aussehen: Die Vuvuzela klingt doch genau wie die Formel 1, und das guckt ja genau dieselbe Zielgruppe mit größter Freude. Warum zum Geier also so ein Theater um die Tröte?