Do I love you, Phillip Morris?

Kommende Woche Am 29. April startet I love you Phillip Morris in den Kinos, eine sehenswerte schwule Romanze mit Gefängnisausbruch und Verkleidungsspiel. Ich habe zu dem Film auch eine Kritik verfasst, und fand den Film ganz großartig.

Nun freundete sich jüngst ein gewisser Phillip Morris mit mir auf Facebook an. Tatsächlich handelt es sich offenbar um den Account zum Film, sozusagen „getarnt“ als Person und nicht, wie für solche Fälle üblich, angelegt als Facebook-Seite. Der Unterschied besteht darin: Mit der Person Phillip Morris kann man sich anfreunden, bei einer Facebook-Seite (wie zum Beispiel der zu Engel mit schmutzigen Flügeln) kann man nur Fan werden.

Was also bezweckt der Verleih (Alamode) mit dieser Aktion? Ich finde es nämlich nicht uninteressant, einen personifizierten Facebook-Account für einen Film (oder ein anderes Produkt) anzulegen, und jemanden hinzusetzen, der die „Freunde“ zu Fans und Multiplikatoren. Das ist wie Corporate Blogging, nur zielgerichteter, da man die Freundschaften überblicken kann und nötigenfalls sogar streckenweise kontrollieren. Corporate Facebooking also.

Noch ist nicht viel los mit Phillip Morris. Er hat zur Zeit 31 Freunde, die bei oberflächlicher Betrachtung überwiegend „was mit Medien“ zu tun haben scheinen (natürlich kann man das bei allen so interpretieren, die einen Facebook-Account haben). Phillips Wall zeugt bis jetzt nur von einigen hochgeladenen Fotos und dem Hinweis auf einen Trailer bei YouTube.

Noch ist Zeit bis April, und es könnte interessant werden, was Alamode für ein Marketingkonzept mit Phillip Morris durchzieht. Ich bleibe mit ihm befreundet, mal sehen, was noch kommt!

Max Manus

Wer Näheres über diesen norwegischen Nationalhelden, Saboteur und späteren Nähmaschinenfabrikanten Max Manus in Erfahrung bringen will, der ist hier angenehm bedient; am kühnsten die Aktion der Sprengung von Nazi-Kriegsschiffen im Hafen des besetzten Oslo, was mit großem Enthusiasmus nachgezeichnet wird.

Die zwei Leben des Daniel Shore

Ein weiterer Tiefpunkt öffentlich geförderten deutschen Films.

Der Film fängt an mit einer einzigen, minutenlangen Einstellung. Die Kamera fährt erhaben über eine hell geflieste Terrasse (mit einer weiss getünchten Schutzmauer versehen), auf der Terrasse sind Stühle, Drahtgeflechtstühle, einer links halb gekippt, einer rechts stehend. Bedeutungsvoll. Leere Bühne. Die Kamera fährt nun in einer langen, langsamen Bewegung, bedeutungsschwanger über die Brüstung, gibt die Sicht frei auf einen marokkanischen Garten mit Palmen, senkt sich auf einen Pool hinunter, dreht dann ebenerdig zurück in Richtung Haus, findet auf der Freitreppe unter der Terrasse einen toten Jungen in einer Blutlache. Diese auffällige, offenbar auch auffallen wollende Kamerafahrt wird pathetisch untermalt von einer sich stetig bis ins Bombastische steigernden Musik mit dem dramatischen und im weiteren Verlaufe des Filmes nicht mehr zu toppenden Höhepunkt, der Entdeckung des toten Jungen.

Hier hat Dreher sein Pulver bereits verschossen, seine Nicht-Geschichte bereits erzählt. So ein toter Junge, ein ganz offensichtlich gewaltsam zu Tode gekommener Junge, macht betroffen, noch dazu ein marokkanischer Junge.

Um diesen toten Jungen herum bastelt er nun gerne auch mit Reißschwenks und immer wieder bei nichtssagenden Szenen mit Gewicht verleihender Musik unterlegt eine Assoziationskette aus gestelzten, meist bedeutungsvoll stilisierten Szenen mit ebensolchen Figuren.

Darin kommt vor: ein Student, der in Berlin seine Doktorarbeit machen wollte, der Amerikaner ist und im Film Daniel Shore heisst, als Schauspieler nennt er sich Kinski, ein sehr fordernder Name. In seinem Kopf geistern der gewaltsame Tod des Jungen und Schuldgefühle, diesen nicht verhindert zu haben. Dann diverse Bewohner, fast wie Wachsfiguren, in einem geräumigen Altbau in einer Stadt in Deutschland, die nicht Berlin ist, deren Verkehrsbetriebe SSB heissen. Und natürlich Marokkaner. Die sind alle Dealer. Und Marokanerinnen. Die sind alle Nutten. So der Eindruck.

Ausserdem gibt es viele Blicke auf die Meerenge vor Tanger hinüber nach Spanien.. Mit denen erinnert Dreher an seinen Erfolgsfilm Fair Trade, einer thematisch-modellhaften Seminararbeit, die politisch so korrekt und künstlerisch so wenig aussgekräftig war, dass fast sämtliche Kurzfilmpreisjuries jenes Jahres sich auf den Film als Preisträger einigen konnten. Sie katapultierten Dreher gleichsam in einen viel zu hohen Film-Preis-Himmel.

Ausserdem gehören Disco-Szenen in einen jungen deutschen Film, sowohl solche in Deutschland als auch welche in Marokko, man ist ja international.

Der Film scheint ein großangelegter und gewiss millionenschwerer Versuch zur Herstellung von Bedeutsamkeit einer Nicht-Geschichte zu sein.

Leider wird nicht klar, was Dreher wirklich interessiert. Der gewaltsame Tod eines Jungen macht betroffen, klar. Aber was hat das mit den zwei Leben des Daniel Shore zu tun, ist er im einen betroffen vom Tod des Jungen, im anderen nicht?

Um dieser Betroffenheit Ausdruck zu verleihen, genügte allerdings eine einfache Todesanzeige. Kino als Ersatz für eine Todesanzeige. Eine Trauerveranstaltung.